Matschen beruhigt und stärkt das Immunsystem

Schlaglöcher treiben manchen Autofahrern die Zornesröte ins Gesicht. Dabei haben diese Erwachsenen ganz anders reagiert, als sie in Kinderzeiten noch auf Nebenstraßen spielen durften. Damals lösten Schlaglöcher auf der Straße Abenteuerlust statt heute Fahrer-Frust aus: Nach Regenschauern sprangen manche Mädchen am liebsten in diese Pfützen, wenn Mama sie kurz zuvor mit einem frisch gestärkten Glockenröckchen besonders fein gemacht hatte.

 

Wer – schon etwas vernünftiger – der Mutter häufige Wäsche ersparen wollte, musste sich höllisch hüten, nah an einem wässrigen Schlagloch zu stehen: Die Nachbarsjungen hüpften gern plötzlich mit Anlauf in diese Minitümpel und ließen die trübe Brühe aufspritzen.

 

Warum Matschen so anziehend ist

Nichts schöner, als am Meeresstrand mit nassem Sand Burgen inklusive Wassergräben zu modellieren. Aber leider sind nicht alle Tage Ferien. Wasser und Matsch locken jedoch jederzeit.

 

Woher kommen die kindliche Anziehungskraft von Pfützen und die Vorliebe für Matsch? Die Frage hat längst die Wissenschaft beschäftigt – mit überraschenden Ergebnissen. Michelle Rupiper ist Pädagogik-Professorin an der amerikanischen Universität von Nebraska-Lincoln und forscht dort über Kinder im Kita-Alter.

 

Es gewöhnt Kinder an Dreck

Was sie herausgefunden hat, lässt sich so zusammenfassen: Matschen macht Freude! Denn im Boden leben mikroskopisch kleine Bakterien namens „Mycobacterium vaccae“.

 

Weil diese Winzlinge das Immunsystem stimulieren, hilft das Herummantschen Kindern beim Entspannen, es beruhigt sie und kann sogar einer Neigung zu Depressionen vorbeugen. Außerdem stärkt Matschen die Gesundheit, weil es das Immunsystem des Kindes an Dreck und Bakterien gewöhnt und damit allergischen Reaktionen vorbeugt.

 

Ungeachtet der heilsamen Wirkungen ist noch gar nicht berücksichtigt, wie sehr Matschen Lernprozesse fördert, feinmotorische Fähigkeiten trainiert und Kreativität weckt. Michelle Rupiper drückt das so aus: „Matschen und das damit einhergehende Staunen sowie die Freude daran sind der Stoff, aus dem fabelhafte Kindheits-Erinnerungen gemacht sind!“

 

Stiftung schafft rasch Ersatz

Die Leiterin der „Arche Noah“ in Ahlen, Dr. Susanne Jonas, kennt die heilsame Wirkung einer Wasser- und Matschanlage auf Kinder mit Behinderung. Doch eine im Außengelände der „Arche“ lange vorhandene Bahn „musste nach dem Erlass neuer Sicherheitsbestimmungen geschlossen werden“.

 

Eine Ersatz-Anlage schien Susanne Jonas wegen der Investitionskosten „frühestens nächstes Jahr“ denkbar – ein trauriger Umstand. Zu was ist eine „Arche“ auf dem Trockenen nutze?

 

Die Förderung der Damhorst-Stiftung hat die neue „Matschbahn“ schon früher möglich gemacht. An der Wasserpumpe, an Spieltischen und Wasserrinnen können die „Arche“-Kinder nun wieder in froher Gemeinschaft mit Wasser, Sand und Erde spielen.

 

Kein Parkproblem für „Rollis“

Die im Erstellen von Spielgeräten erfahrene Bauschreinerei Tobias Schreiber aus Ennigerloh fertigte die neue Anlage: die konstruktiven Teile aus unverwüstlicher Eiche, die Rundhölzer aus elastischer Robinie; alle Hölzer unbehandelt und weitgehend in natürlichem Wuchs belassen statt auf Millimeter passend gesägt.

 

Natürlich wurden die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung bedacht. So lassen sich etwa Rollstühle mühelos vor dem Spieltisch parken.

 

Miteinander statt in Konkurrenz spielen

Die „Arche“-Leiterin und Familientherapeutin Susanne Jonas schätzt ähnlich wie Professorin Michelle Rupiper die Wirkungen dieses Freiluftspiels: „Der Umgang mit dem Medium Wasser ist für viele Kinder positiv besetzt. Wasserspiele fördern neben dem Miteinander die Wahrnehmungs-Fähigkeiten und die Tiefen-Sensibilität.“

 

Ausschlaggebend sei dabei: „Das Miteinander ist nicht durch Konkurrenz gekennzeichnet, sondern durch ein in Beziehung gehen. Jedes Kind an seiner Stelle der Matschbahn lässt das Wasser zum nächsten Kind fließen, bis das Wasser dann von der Matschbahn läuft. Förmchen werden weitergereicht, Hindernisse im Wasserlauf zum Beispiel durch Sand eingebaut.“

 

Gemeinsam lernen und Spaß haben

Susanne Jonas charakterisiert dieses Spiel in Übereinstimmung mit dem Erziehungswissenschaftler Georg Feuser als „Lernen am gemeinsamen Gegenstand“. Die Familientherapeutin beschreibt: „Auf diese Weise kann jedes Kind das für sich herausnehmen, was seiner Entwicklung und seinem ,So-Sein‘ entspricht. Über das Medium Wasser wird ein Miteinander unterstützt.“

 

Da hat die Damhorst-Stiftung nun ein Projekt in den Sand gesetzt, ein Spielgerät ist ins Wasser gefallen, eine Anlage bringt Erde ins Rutschen – und im Kuratorium herrscht darüber geradezu kindliche Freude!